Samstag, 23. Mai 2009

Eine völlig unreflektierte Aneinanderreihung von Superlativen

Eigentlich wollte ich den Blog ja grün-gelb einfärben, um zu signalisieren, dass ich jetzt aus Brasilien schreibe, doch die Farbkombination ist so dermaßen schwer zu lesen, dass ich es doch lieber beim guten alten Schwarz-Weiß belasse, das ich in Buenos Aires so lieb gewonnen habe.

Von Schwarz-Weiß kann in Rio überhaupt nicht die Rede sein. Diese Stadt ist bunt, warm, laut – und das nicht nur zum Karneval. Ich hatte ja schon große Erwartungen, aber der heutige Tag hat sie alle weit übertroffen. Die Stadt ist wirklich fantastisch und der Tonfall in diesem Blog zu locker, um ihr gerecht zu werden. Jeder muss einmal hier gewesen sein: Art Deko-Hochhäuser aus den 20er Jahren, Häuserfassaden von der Jahrhundertwende (nicht '99/2000...), weißer Strand, blaues Meer, Straßen, die durch den Regenwald führen – einfach GROSSARTIG und inspirierend.

Meine Augenöffner-Theorie ist voll aufgegangen: Obwohl ich diese Nacht nicht geschlafen und nur im Flieger ein wenig gedöst habe, war alle Müdigkeit verflogen, als wir hier ankamen. Ich fürchte, jetzt folgen nur noch Superlativen: Denn so viele schöne und verrückte Sachen habe ich selten an einem Tag erlebt.

Es fängt mit dem Hotel an, in dem wir untergebracht sind. Mein Zimmer ist kein Zimmer, sondern eine Suite. Sie ist deutlich größer als meine Wohnung in Köln. Der Copacabana Palace ist DAS Hotel Rios. Der totale Luxusbunker, in dem alle Stars absteigen, wenn sie hier sind. Madonna, U2 (Grüße nach Florida!), heute die Jonas-Brothers. Vor dem Hotel stand eine Meute von vielleicht 300 bis 500 Teenies, deren permanentes Gekreische die Copacabana rauf und runter zu hören war. Sie starrten wie gebannt auf die Hotel-Fenster in der Hoffnung, dass einer der drei Sänger, die heute Abend hier ein Konzert geben, auftauchen würden. Tat natürlich niemand. Stattdessen kamen nur ein paar Journalisten aus Deutschland, die durch die Menge zum Hoteleingang geführt wurden. Ich freute mich natürlich, von kreischenden Teenies empfangen zu werden, auch wenn die sich (erst einmal) nicht freuten, mich zu sehen.

Im Hotel die erste angenehme Überraschung. Ich betrete mein Zimmer, und wer liegt auf meinem Bett? Eine wunderschöne Brasilianerin! Leider auch ihr Freund. Es stellte sich heraus, dass das junge Paar und ich versehentlich auf das gleiche Zimmer gebucht worden waren. (Sorry, hatte leider keine Zeit, einen Schnapsschuss von ihr zu schießen, und leider habe ich sie auch nicht bei Schweinereien ertappt.) Das Problem war schnell geklärt, ich bekam ein neues Zimmer zugeteilt, das dreimal so groß wie das des Pärchens ist und ja schon oben genauer beschrieben wurde...

Der Empfang in Rio war also perfekt und ich musste ihn mit einer Zigarette auf dem Balkon verdauen, während ich aufs Meer hinaussah und dem Gekreische der Teenies zuhörte, mit dem ich schon bald nähere Bekanntschaft machen sollte. Unser Zeitplan war so eng gesteckt, dass ich die Zigarette nicht aufrauchen konnte und gleich wieder runter in die Lobby musste. Auf dem Programm stand eine Tour mit Jeeps durch die Stadt, die allerdings wegen der Menge nicht vor dem Hotel vorfahren konnten. Ich fing raus und machte ein paar Fotos von den hysterischen Fans.

Kaum zückte ich die Kamera, rasteten die komplett aus. Irgendwann waren sie so wild, dass ich spaßeshalber ein Zeichen gab, dass sie ruhig sein sollten (so ähnlich, wie es Stefan Raab immer zu Beginn von TV Total macht). Und was soll ich sagen: SIE WAREN RUHIG! Nicht zu glauben. Ich hob die Arme und - SIE KREISCHTEN! Ich senkte die Arme - SIE WAREN RUHIG! Der Größenwahn hatte mich gepackt! Die Kollegen kriegten sich kaum ein vor Lachen und ich kaum vor Begeisterung. Arme rauf - KREISCHEN! Arme runter - SCHWEIGEN. Es ging weiter. Fans in drei Blöcke eingeteilt. Nach links zeigen - LINKER BLOCK KREISCHT. Nach recht zeigen - RECHTER BLOCK KREISCHT. In die Mitte zeigen - MITTE KREISCHT. Links, rechts, Mitte, Mitte, rechts, links, Mitte, rechts und links gleichzeitig, Mitte und links gleichzeitig, Schweigen, Kreischen... Sie machten wirklich alles brav mit. Ich stand vor dem größten Hotel Rios und dirigierte eine Fanmeute, die die Zufahrt blockierte - und, ihr kennt mich, natürlich genoss ich es! ;o)

Autogramme habe ich keine gegeben, so weit sollte der Größenwahn dann doch nicht gehen. Im offenen Jeep düsten wir durch die Stadt, deren Buntheit ich mit diesem Bild illustrieren möchte:


Zum Mittagessen gab es nach der argentinischen Fleisch-Überdosis ausnahmsweise Fisch - und zwar, wie sollte es anders sein, absolut delikaten. Die Tour ging weiter einen Berg hoch durch die letzten Reste Regenwald, die es in Rio noch gibt. Und endete nach einer Fahrt mit der Zahnradbahn an einer Stelle, wo die meisten Touristen die Arme ausbreiten:

Und wer ist natürlich zu cool, um die Arme auszubreiten?



Ein atemberaubender Tag...


---OPTISCHE TÄUSCHUNG?---
Ich finde, wenn man längere Zeit auf dieses Bild schaut, sieht es so aus, als würde sich Jesus jeden Moment im Kreis drehen. Bin ich von Endorphinen benebelt, oder seht ihr das auch?



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