Warum macht ein Mann einen Tangokurs?
Für mich gibt es nur eine Antwort: Weil er mit einer Rose zwischen den Zähnen die Frauen beeindrucken will und sie so tief in seine Arme sinken lässt, dass ihre Haare beinahe den Boden berühren. Der Tangokurs fand in einem sehr stimmigen kleinen (und wohl sehr traditionsreichen) Theater statt, das in Köln sicher schon längst zu einem schmuddeligen Kino geworden wäre. (Und das würde wohl in spätestens zwei Monaten dicht machen und eine Lagerstätte für ein Möbelhaus werden.)
Von Kino sprach auch der Tangolehrer, als ich ihm von meinem Rosen-Vorhaben erzählte. Auch das In-Die-Arme-Sinken-Lassen gäbe es nur in Hollywood. Ich erklärte ihm, dass mir das egal sei. Wenn ich in Deutschland wäre, wollte ich so wie die in Hollywood Tango tanzen, damit ich mit Kolleginnen nicht mehr beim Deutschen Fernsehpreis auf die Tanzfläche falle oder mich mit meiner Schwester auf Weihnachtspartys spektakulär überschlage.
Er weigerte sich, mir den Trick beizubringen. Stattdessen korrigierte er immer wieder meine Grundhaltung und war nach einer Stunde froh, dass ich wenigstens die jetzt drauf habe. Und ich bin es auch, denn ich habe festgestellt, dass Tango-Tanzen auch ohne große Tricks unglaublichen Spaß macht.
Weil der Tanzlehrer meinte, echte Tango-Tänzer würden die Hollywood-Nummern auch nicht bringen, war ich umso verwirrter, dass bei der anschließenden Tango-Show, die im gleichen Theater stattfand, zahlreiche In-Die-Arme-Sinken-Lasser präsentiert wurden. Für viel Geld (ich bin gerade zu faul, in meinen Notizen nachzuschauen, wie viel Geld) kann man ein Komplettpaket buchen: Typisch argentinisches Essen und danach typisch argentinischer Tanz. Vielleicht waren wir zu verwöhnt von den vielen absolut köstlichen Steaks, die wir hier in kurzer Zeit verschlungen haben (und die keinesfalls gewürzt oder gar mit einer Sose* übergossen werden dürfen!), aber die Steaks, die wir an diesem Abend bekamen, waren grausig. Weder kau- noch verdaubar. Jeder ließ mindestens die Hälfte auf dem Teller zurück, der Kellner räumte ab, ohne sich darüber zu wundern - sehr verräterisch.
Die Show selbst dauerte quälend lang. Tango, wie er im Phantasialand geboten werden würde, dazwischen Panflötenspieler, die in Deutschland in Fußgängerzonen auftreten. Zugegeben - die Tango-Kapelle war gut und bestand aus lustigen älteren Herren. Die hätte man allerdings lieber in einer verrauchten Tango-Bar in der Stadt statt in diesem Touristen-Nepp gesehen. Sollte einer meiner Kollegen das Komplettpaket tatsächlich einem Leser empfehlen, muss er dem Leser Schmerzensgeld bezahlen.
(Toll an diesem Abend war ein Gespräch mit einem Japaner, der die gesamte Show auf Video festhielt. Ich fragte ihn, ob er ernsthaft vorhätte, sich das Elend zu Hause tatsächlich noch mal anzusehen. Darauf er: "Ich bin wegen meiner Frau hier, damit lässt sie sich gut ruhig stellen.")
Der Abend kam mir ziemlich verschwendet vor - ich wollte dringend in eine "echte" Bar in Argentinien. Ich fand eine direkt um die Ecke von unserem Hotel und freundete mich mit einem Argentinier an, der mich ganz begeistert nach deutschem Bier ausfragte. Er konnte nicht glauben, wie viele Sorten es davon bei uns gibt.
Gegen zwei Uhr brach ich wieder zum Hotel auf - und die Straße war wie verwandelt. Überall Nutten! In Deutschland stehen die ja einfach da und werfen einem Schweinereien oder Preise an den Kopf, in Buenos Aires umkreisen sie einen, packen einen an. Einzige Alternativen: Sex oder Rennen. Ich entschied mich für letzteres. Natürlich aus moralischen Gründen. Doch der überzeugendste Punkt war wohl, dass alle Nutten Transvestiten waren...
Der Abend begann mit Hollywood und endete mit
Almodóvar. Entwickelte sich also nicht ganz in meinem Sinne. Zum Glück war der heutige Tag dagegen der Hammer! Mehr dazu im nächsten Eintrag.
*kleiner Insider für Alex. ;o)
----KURZMITTEILUNGEN----
Habe mit einer Kollegin darüber gesprochen, ob Buenos Aires eine Schwarz-Weiß-Stadt ist. Also eine Stadt, die nur in Schwarz-Weiß einigermaßen gut aussehen kann. Sie sagt ja. Ich auch. Was meint ihr?
Alle Straßenschilder werden in Buenos Aires von Konzernen gesponsert. Sony Ericsson und Nokia sind besonders fleißig darin, Straßennamen zu präsentieren. (Hach, wie schön wäre das in Köln: "Gilden Kölsch präsentiert: Hohe Straße. 86 Läden ein Kölsch". Oder "Domradio empfängt Sie in der Kardinal-Frings-Straße. Sie empfangen Domradio in allen Straßen".
Dieses Programm wird an vielen Straßenecken geboten: